Die nachfolgenden Szenen sind frei erfunden, hätten sich aber womöglich genau so zugetragen:
Hallo Floorball! Willkommen zurück! Die SBK hat nach langem Hin und Her nun doch die Playoff-Wettbewerbe starten lassen. Unter strengen Auflagen (keine Zuschauer, Masken- und Handschuhpflicht für die Goalies, Durchführung fernab von Corona-Hotspots) fand das Viertelfinale am Sonntag, 3. Mai, statt. Als Staffel-Zweiter musste Phönix Leipzig im 40. Geisterspiel der laufenden Verbandsliga-Saison gegen die TSG Füchse II aus Quedlinburg ran. In der Staffel 1 blieb die TSG Dritter, nachdem die letzten Vorrundenspiele entfielen. Alles war nun vorbereitet für die Playoffs in Salzwedel: Zusätzliche Umkleidezelte stellten die Gastgeber für die Teams und Schiedsrichterpaare vor der Halle bereit, damit alle vier Viertelfinalbegegnungen an einem Tag über die Bühne gehen können. Corona-Schnelltests für die Teams gab es trotz Ankündigung nicht – die wurden kurzfristig anderswo benötigt.
Phönix Leipzig – TSG Füchse II 7:6 (0:3;0:3;7:0)
Und Phönix Leipzig war von der 1. Minute an gewillt, das Spiel schnell und eindeutig über die Bühne zu kriegen (schließlich hatte man für die Partie den Freistaat Sachsen verlassen müssen). Das sprichwörtliche Abtasten fiel also aus. Doch die TSG Füchse fanden schneller ins Spiel. Vermutlich hatte sie Spielertrainer Felix Dippe heimlich trainieren lassen in den vergangenen Wochen, im Harz, hinter den sieben Bergen. 0:2 stand es nach zehn Minuten. FBC-Trainer Tobias Schulze entsprechend sauer. Hatte Phönix Leipzig seine Hausaufgaben nicht gemacht? Lag der Fokus zuletzt zu sehr auf Wohnzimmer-Spaß-Challenges? Es blieb kaum Zeit zum Nachdenken. TSG-Topscorer Aryan Oswald netzte ein zum 3:0 für die Sachsen-Anhaltiner. Wie bitter! Ernüchtert trotteten die Phönixe in die Drittelpause. Vermutlich verpuffte vor dem Spiel der Effekt des gemeinsamen Teamkreises vor dem Tor, der coronabedingt mit Zwei-Meter-Abständen durchgeführt werden musste.
TSG-Füchse gehen in Führung
Drittelauswertung unter freiem Himmel und mit Einweg-Masken. Das Trainerteam erklärte der Verteidigung, wie sie am besten auf die windigen Gegner reagieren müssen. Doch wieder auf dem Feld zurück, verfielen die Feuervögel in alte Muster und kassierten weitere Gegentore. Immerhin hatten sie für das teils schlechte Zweikampfverhalten in diesen Tagen einen guten Grund: Lieber eine Sekunde zu spät kommen, als den Atem des Gegners im Nacken spüren. Eine fette Pleite deutete sich in Salzwedel an. 0:6 stand es nach zwei Dritteln. Das sechste Gegentor geschah übrigens nach einem Freischlag. Die 1-Mann-Phönix-Mauer war kein Problem für die Mannen der TSG. Immerhin blieb positiv festzuhalten, dass sich alle Spieler wenigstens an die Abstandsregeln bei Standardsituationen hielten an diesem Tag. Tobias Schulze nutzte anschließend das austrudelnde Drittel, um einen Plan für die verbleibenden 20 Minuten zu erstellen.
Phönix Leipzig findet in die Partie
Seine Idee war, jegliche Taktik über den Haufen zu werfen. Denn viele Phönixe hatten die üblichen Taktik-Vorgaben offenbar im Lockdown vergessen. Naja, und das fehlende Desinfektionsmittel zum Abwischen des Taktikboards sorgte zusätzlich für Verwirrung…Also sollte jeder Spieler und jede Spielerin ab sofort einfach spielen – so wie er oder sie es am besten konnte. Und tatsächlich, es funktionierte. Darauf schienen die taktikgeprägten Harzer nicht vorbereitet gewesen zu sein. 41. Minute: René Wildgrube nahm sich den Ball und rannte los. Er übersah jeden Mitspieler, schaute nur nach unten, überwand irgendwie die Füchse-Abwehr und dann zappelte der Ball im Netz. Nur noch 1:6. Ging da noch was? Das Tor schien ein Weckruf zu sein. Felix Hilla gewann (wie immer) den anschließenden Bully vom Mittelpunkt und lief alleine nach vorne. Jetzt wollte er nicht mehr rummeckern, sondern es ebenso in die Scorerwertung schaffen. Nach drei Schritten zog er drei Gegner auf sich. Dann sah er den am Schutzraum freistehenden Tommy Kürschner und schoss ihm mit einem strammen Pass an die Kelle, von wo aus der Ball unhaltbar ins gegnerische Tor flog. Perfekt! Die einst einstudierten Spielzüge kamen langsam zurück. Jetzt war Mirko Körner dran. Er verwandelte seinen zehnten Schlenzer von der Mittellinie erstmals an diesem Tag im Tor. 3:6! Das Glück schien zurück. Als nächstes schnappte sich Vincent Hähnig den Ball. Ein kurzer Blick zum gegnerischen Goalie und dann ein Schuss – an den linken Pfosten. Danach nahm er den zurückspringenden Ball wieder an. Jetzt schoss er an den rechten Pfosten, nahm den Ball wieder an und versenkte den dritten Schuss knapp unter der Querlatte im Netz. Seine Teammitglieder mussten ihn danach kurz trösten, er wollte nämlich vorher nochmal genau an die Querlatte schießen und danach erst den Abpraller im Tor versenken. Egal! 4:6. Die Spieler klaschten sich mit ihren Schlägern ab, nicht mit ihren Händen. Der verletzt mitgereiste Tino Pagel hielt den Torjubel von außen aus sicherer Entfernung mit seiner Kameradrohne fest.
Super-Drittel! Feuervögel drehen das Spiel
Das Momentum lag jetzt bei Phönix. Die TSG war zu einer Auszeit gezwungen. Aber auch das brachte nichts. Als nächstes verewigten sich Pascal Richter und Tobias Schulze in der Scorerliste. Tobias‘ lauter Jubelschrei zog allerdings eine kleine Ermahnung der Schiedsrichter nach sich: zu riskant für die Gesundheit aller Anwesenden, hieß es. Beim nächsten Mal solle er sich eine Maske vorher aufsetzen. 6:6! Jetzt lagen die Nerven beim Gegner blank und unschöne Szenen spielten sich ab: Ein junger Gästespieler mit einer Pollenallergie nieste Elias Dannenberg (mehr oder minder absichtlich) ins Gesicht. Das wäre mindestens eine 10-Minuten-Strafe. Kapitän Jakob Neumann beschwerte sich, aber die Schiedsrichter hatten die Szene übersehen. Also gut. Weiter. Zwei Minuten noch. Elias war durch die vorherige Szene besonders motiviert, das Ruder endgültig rumzureißen für sein Team. Er verlor aber den Ball an der Mittellinie. Plötzlich hatten die Füchse die Chance zum entscheidenden Tor an diesem Nachmittag. Ein Traumkonter deutete sich an. Doch sie hatten die Rechnung nicht mit Lukas Nietfeld gemacht. Er hielt den glänzenden Schlagschuss noch glänzender fest.
Während die TSG verdattert guckte, sah Lukas die vorne frei stehende Noemi Dornheim und warf ihr den Ball zu. Und die lief einfach los …und lief und lief und schob die Kugel lässig dem Goalie durch die Beine. 7:6 in letzter Minute. Spiel gedreht! Wahnsinn! Alle Phönixe stürzten sich vor Freude auf Noemi. Grenzen- und abstandsloser Jubel! Selbst Tino ließ seine Drohne davonfliegen, schmiss seine Krücken zur Seite und rannte plötzlich glücklich zu der Traube. Unglaublich. In den letzten Minuten hielt Phönix die Führung fest, den Gegner auf Abstand und steht jetzt verdient im Playoff-Halbfinale der Verbandsliga. Die Revanche für die unglückliche Testspielniederlage vom 19.Oktober 2019 war damit gelungen.
Die weiteren Viertelfinal-Ergebnisse des Tages:
- Heidenau – Landsberg 7:2
- Jena – Salzwedel 2:5
- Bautzen Bears – UHC Weißenfels II 1:2 (n.P.)